Venusbrass um Bettina Wauschke

»... das geht ab wie Schmidts Katze – richtig klasse«

TUBA-JOURNAL Sie sind gerade mal zu viert – zwei Saxofone, eine Tuba und eine Snaredrum. Aber wenn sie loslegen, geht die Post ab und jeder weiß, warum »Venusbrass « sich »Marching Band« nennt. Die fünf Frauen aus Berlin – alle mit abgeschlossenem Instrumentalstudium – drehen bei ihren Auftritten derart auf, dass zumindest der akustische Eindruck einer mindestens doppelt so stark besetzten Combo entsteht.

(von links) Edith Steyer, Bettina Wauschke, Annie Hilsberg, Tanja Becker, Katrina MartinezDoch nicht nur mit Klangvolumen hat diese magische Verdoppelung etwas zu tun. Die ungeheure Bühnenpräsenz von »Venusbrass «, die sich vorzugsweise marschierend unters Publikum mischen, ist ebenso ausschlaggebend. Und die geht in erster Linie auf das Konto von Bettina Wauschke, der Bandgründerin und -leaderin, die mit ihren gerade mal 169 Zentimetern die Tuba stemmt und parallel dazu singt, Witz versprüht, mit ihren riesigen blauen Augen kullert und so einfach jedermann und jedefrau vom Hocker reißt.

Zur Tuba kam Bettina Wauschke zwar nicht gerade wie die Jungfrau zum Kind, aber ein wenig merkwürdig gelaufen ist es für die Jugendliche damals schon. Nach einem Schüleraustausch mit Kanada, während dem sie etliche Instrumente ausprobieren durfte, fragte die Dirigentin des Jugendorchesters ihrer Schwestern, ob sie nicht die Tuba blasen wolle, die gerade nicht besetzt war: »Und ich wollte doch Saxofon spielen, das war viel cooler.« Doch dann »fand ich es toll, dass ich so viel Verantwortung hatte in meinem Bassregister. Und Eva Szameitat, die Dirigentin, die voller Power war, sagte zu mir: ›Lauter, Betty, lauter.‹« Nach einem Jahr sollte Bettina Wausche bereits ein Solostück für Tuba und Blasorchester spielen: »Da hatte ich das erste mal zitternde Knie beim Konzert.Aber spätestens da merkte ich, dass Tuba nicht nur ein Begleitinstrument ist, sondern dass da noch 'ne ganze Menge mehr drin steckt.«

Bettina Wauschke (Foto: Zipperer)Die Entscheidung fürs Tubastudium war nicht einfach. Nach dem Abitur jobbte sie, um sich ihre erste eigene Tuba zu finanzieren. Sie wollte in die moderne Musikrichtung gehen, doch 1986 gab es an der Hochschule der Künste Berlin noch keine Studienzweige für Jazz und Popularmusik, geschweige denn für Tuba. So entschied sie sich fürs klassische Tuba-Hauptfachstudium, um eine fundierte Ausbildung zu erhalten: »Als erste Frau damals in Berlin an dem Instrument.« Mit ihren männlichen Mitstudenten kam die burschikose Tubistin ganz gut klar: »Frauen sind heute noch in der Minderheit bei den Blechbläsern, und manche fühlen sich diskriminiert. Die können mit deftigen Sprüchen nicht gut umgehen. Aber ich habe immer selber gerne welche erzählt.«

Während des Studiums wurde ihr mehr und mehr klar, wie sehr es sie zum Jazz, Soul, Funk hinzieht, und dass sie sich selber darum kümmern musste. »Im Orchester zu spielen ist ein unbeschreibliches Gefühl – Teil dieses großen Klangkörpers zu sein. Aber Pop und Jazz passen besser zu meiner Mentalität. Ich brauche die Freiheit, mich beim Spielen bewegen zu dürfen, mich direkt ins Publikum zu begeben, auf den Boden zu legen, wenn mir danach ist. Da geht mein Herz auf.« Und dort wurde sie ohne Wenn und Aber aufgrund ihres Könnens akzeptiert. Howard Johnson engagierte sie 1995 für »Gravity«: »Das war mein Einstieg in die amerikanische Musikszene.« Auf seine Empfehlung ging's dann mit Lester Bowies »Brass Fantasy« auf Europa-Tournee: »Ich hatte mir damals mein erstes Faxgerät gekauft, und das allererste Fax kam aus New York – das war vielleicht toll!«

Mit den »Jazzin Babies« gewann sie den ersten Preis beim internationalen Jazzwettbewerb in Breda. Viel Theater - und Bühnenerfahrung sammelte sie bei Musicals, wo sie auch kleine Rollen übernahm. Engagements in teilweise vier Bands und Ensembles parallel folgten, bevor die quirlige Frau, die gerne zwischen blond und brünett wechselt, sich entschied: »Langsam muss was Eigenes her.« Der Anruf einer ihr unbekannten Saxophonistin, die ein Quartett für einen Business-Gig zusammenstellen sollte, war letztlich der Auslöser für »Venusbrass«. Um die Gründung einer »reinen Frauencombo « ging es nie: »Gemischt ist doch schön, wenn alle gute Musiker sind!«

Über vier Jahre ist es her, dass sich das erste Ensemble formierte und in seinem Wunsch nach flotter Musik von Salsa bis Soul harmonierte. Inzwischen hat sich * venusbrass * neu formiert. »Ich wollte immer Posaune dabei haben, und zur Zeit spielen wir immer öfter im Quintett, sogar auch im Sextett mit Bassdrum.« Am Repertoire, der Choreografie, der Bühnenpräsenz, an der Show feilt die kleine Frontfrau mit der großen Tuba (Modell von Chuck Dallenbach, gesponsert von Yamaha) und der »großen Klappe« (Wauschke über Wauschke) ständig. Meistens schwitzen die Musikerinnen schon nach dem zweiten Titel. »Es muss jede gleich viel Stoff geben, sowohl musikalisch als auch von der Bühnenpräsenz her, sonst fallen der Gesamtklang und das Gesamtbild auseinander. «

Und unter dem Strich steht fest, was die Berlinerin frei Schnauze so formuliert: »Das geht ab wie Schmidts Katze – mächtig gigantisch!« Der Grooveteppich, den die Tubistin zusammen mit Sabine Zlotos und (im Sextett) Katrina Martinez an den Drums produziert, ist von besonderer Güte: »Wir sind unschlagbar!« Zlotos ist »der Schlagzeugstar« an der Hanns-Eisler-Musikhochschule Berlin, Martinez hat auf Kuba Percussion studiert und »bringt die kubanische Sonne in die Band und auf jede Bühne«. Am Altsax spielt neu Annie Hilsberg, die noch vor kurzem zehn Wochen in den amerikanischen Jazzsmooth-Charts einen Hit hatte. Edith Steyer ist am Tenorsax »mit riesigem Sound als traumhafte Solistin« vertreten, Tanja Becker an der Posaune mit »einem Repertoire von 1000 Titeln« komplettiert * venusbrass * als Sextett, das Coversongs mit Salto und Flicflac während des Blasens schon auch mal auf der Skipiste hinlegt.

In Zukunft, denkt Bettina Wauschke, »werden wir auch eigene Kompositionen spielen ... aber es gibt so wunderschöne Stücke, die zu covern Spaß macht und immer eine Herausforderung ist!« Dass etwa 70 Prozent ihrer Auftritte Firmenevents sind, ist für sie in Ordnung: »Ich spiel' diese kommerziellen Gigs auch gerne, denn du erreichst Publikum, das sich sonst vielleicht nie so eine Brassband anhören würde!« Aber generell möchte * venusbrass * doch noch mehr bei Jazz- oder Musikfestivals präsent sein.      Uschi Mohr (Tuba-Journal, 2005)